Zur Besinnung

Ein Brot dieser Größe – ein Sechspfünder – würde beim Abendmahl  für mehrere Hundert Menschen  reichen.

Das Brot, das wir brechen – Gemeinschaft des Leibes Christi

Ich erinnere mich noch sehr genau, dabei ist es über 30 Jahre her: Wir fuhren über Ostern zu einer Familienfreizeit – die Gemeinde, in der ich damals arbeitete, war so groß, dass die Vikarin und ihr Mentor über Ostern unterwegs sein konnten. Die gemeinsamen Tage begannen am Gründonnerstag mit dem Abendessen. Mir war dieser Tag schon damals lieb und kostbar. Ich war gewohnt, ihn so ähnlich zu feiern, wie wir das letztes Jahr hier in St. Georgen getan haben und für dieses Jahr wieder vorhaben: Ein Tischabendmahl, verbunden mit einer gemeinsamen Mahlzeit. An so etwas war aber damals nicht zu denken, schon allein, weil in meiner Vikariatsgemeinde – genau wie in den meisten anderen in Bayern – noch kein Kinderabendmahl üblich war. Aber ich wollte diesen Abend auch nicht einfach so vorübergehen lassen. Also backte ich zu Hause noch ein großes Brot und wir trafen uns nach dem Abendessen noch einmal um den gemeinsamen Tisch. Die Kinder waren zum Teil schon müde und fast fürs Schlafengehen fertig. Ich erzählte davon, wie wichtig das Teilen von Brot – und Salz – in vielen Kulturen ist. Der Gast, mit dem man Brot geteilt hat, ist unantastbar. Das geteilte Brot hebt sogar eine eigentlich bestehende Verpflichtung zur Blutrache auf. „Wir teilen jetzt ein Brot miteinander, weil wir in den nächsten Tagen als Gemeinschaft zusammenleben.“ So ungefähr habe ich dann gesagt. Und dann ging das Brot um den Tisch herum und alle brachen sich ein Stück davon ab. Viele Kinder haben ihr Stück fast andächtig gegessen. Als wir am Ostermontag zu einer Schlussrunde zusammensaßen, sagte einer der Väter: „Am schönsten war das Abendmahl an Gründonnerstag.“ – Er war übrigens ein Mitglied des Kirchenvorstands, also mit dem Ritual des Abendmahls durchaus vertraut. Und es hatte weder Wein noch Traubensaft oder Trauben gegeben. Auch hatte ich nicht von Jesus und vom Gründonnerstag gesprochen. Und gebetet hatten wir auch nicht zusammen. Trotzdem: das geteilte Brot, das war für ihn ein Abendmahl gewesen. Und irgendwie hatte er ja auch nicht ganz unrecht. Brot brechen – so heißt das Mahl oft bei den frühen Christen. Auch in den Jesusgeschichten wird immer wieder betont, dass Jesus das Brot bricht.

 

Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Denn ein Brot ist‘s. So sind wir, die vielen, ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.

 

So sagt Paulus es einmal (1. Korinther 10,16-17). Der Leib Christi – wir empfangen ihn im Abendmahl. Und wir sind als Gemeinde Leib Christi, auch das lernen wir von Paulus (1. Korinther 12,27). Und hier kommt beides zusammen: Wir sind ein Leib, weil wir alle von einem Brot essen. Von diesem besonderen Brot, das der Leib Christi ist.

 

Das sollt ihr, Jesu Jünger, nie vergessen: wir sind, die wir von einem Brote essen, aus einem Kelche trinken, Jesu Glieder, Schwestern und Brüder.

 

So heißt es in einem Lied von Johann Andreas Cramer (EG 221). Abendmahl ist also nie nur eine Sache zwischen mir und Gott, zwischen mir und Jesus Christus. Es geht immer auch um die anderen, mit denen ich gemeinsam feiere, mit denen ich das Brot breche.

Natürlich gilt das auch, wenn jeder seine eigene kleine Hostie empfängt – schon vor ungefähr 1000 Jahren ist das in der westlichen Kirche üblich geworden, während die orthodoxen Christen immer ein richtiges Brot verwenden. Immerhin, wir versuchen, die Gemeinschaft trotzdem sichtbar zu machen. Wir verwenden große Hostien, die gebrochen und geteilt werden. Wir stehen nicht allein am Altar, sondern in einer Runde mit vielen. Und trotzdem, am liebsten würde ich immer mit einem einzigen Brot Abendmahl feiern, von dem für jede und jeden etwas abgebrochen wird. Weil dann ohne viel Erklären sichtbar wird:

 

Ein Brot – ein Leib. Wir gehören zusammen, mit Christus und untereinander.

 

Ihre Pfarrerin Irene Mildenberger