Homo Sapiens

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Alles vergehet, Gott aber stehet!
Homo Sapiens, so heißt ein Dokumentarfilm des österreichischen Regisseurs
und Filmemacher Nikolaus Geyrhalter. Er zeigt in statischen Bildern vom Menschen
verlassene Orte: Leere Räume, Ruinen, auch eine Kirchenruine ist dabei,
zuwachsende Städte, rissigen Asphalt. Er zeigt unsere Lebensräume, nur ohne
uns. Er zeigt sie dem Verfall preisgegeben, oder besser gesagt: der Natur, die
sie sich langsam zurückerobert. Oft bewegt Wind die Blätter von Pflanzen oder
Teile von sich auflösenden Gebäuden. Bisweilen regnet oder schneit es, Vögel
zwitschern, Insekten summen. Der menschenleere Raum, sein Klang, sowie
die Geräusche von Witterung und Tierwelt, und die Zeit, die der Film den Betrachtern
lässt, öffnen das Hier und Jetzt, die Gegenwart, den Augenblick.Mich hat dieser Film, den wir Ende November als Lichtklanginstallation in der
Ordenskirche zeigen werden, sehr fasziniert. Er entfaltet eine ungeahnte spirituelle
Dimension. Er wirkt auf mich wie ein stilles, aber gewaltiges Gebet, wie
eine Meditation über Zeit und Ewigkeit: Was wird von uns bleiben? Was macht
es aus, Mensch zu sein? Der Autor selbst bezeichnet seinen Film als eine Ode
an das Mensch-Sein, als eine Ode an die Vergänglichkeit, die unser Mensch-
Sein ja ausmacht, es wertvoll und einzigartig macht.Mir kamen dabei sofort die Worte „Alles hat seine Zeit“ aus dem alttestamentlichen
Buch „Prediger Salomo“ (Kohelet) in den Sinn: „Alles hat seine Zeit.“
„Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine
Stunde.“ Aber vor allem das Anfangskapitel dieses alttestamentlichen Weisheitsbuch
der Bibel mit den berühmten Worten „Alles ist eitel“ drängte sich
mir auf. Dort heißt es: „Als ich aber ansah alle meine Werke, die meine Hand
getan hatte, und die Mühe, die ich gehabt hatte, siehe, da war es alles eitel und
Haschen nach Wind und kein Gewinn unter der Sonne.“
Alles ist eitel. Auch davon erzählen die nüchternen, stillen Bilder in Geyrhalters
Film: Sie erzählen von menschlichem Konsumwahn, von Umweltkatastrophen,
vom Scheitern von Utopien und dem Ende einer Supermacht.
Was wird von uns – vom „vernünftigen Menschen“ bleiben?
Was macht es aus, Mensch zu sein?Und doch kann das Wunder geschehen, in der Tiefe der meditativen Versenkung,
in Bildern und Klängen, dass hinter aller Vergänglichkeit Gottes Ewigkeit
aufleuchtet. Erst unscheinbar und kaum wahrnehmbar, dann als glühende
Morgenröte, den Aufgang der Sonne ankündigend.


Ihr Kirchenmusiker Michael Lippert

Lieder und Predigt zum Abschlussgottesdienst